25.02.2019: AGF-Fachgespräch zu Familien mit chronisch erkrankten Familienmitgliedern

Die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) hat am 25. Februar 2019 ein Fachgespräch zum Thema “Besondere Belastungen von Familien mit chronisch erkrankten Familienmitgliedern” durchgeführt. Dabei diskutierten die Mitgliedsverbände der AGF mit Expertinnen und Experten aus gesundheits- und familienbezogenen Unterstützungs- und Beratungsinstitutionen.

Im Zentrum des Fachgesprächs standen zum einen Fragen nach den spezifischen Belastungen, mit denen Familien mit erkrankten Elternteilen oder Kindern konfrontiert sind. Zum anderen wurde diskutiert, ob ein Defizit der Kooperation zwischen familien- und gesundheitszentrierten Unterstützungs- und Beratungsangeboten existiert und wie eine Zusammenarbeit ggf. verbessert werden kann.

Jürgen Walther, Leiter des Sozialdienstes des Nationalen Tumorzentrums Heidelberg und stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Soziale Arbeit in der Onkologie referierte zu den finanziellen Belastungen die für Familien aus der Krebserkrankung eines Elternteils resultieren. Er zeigte, welche Einkommensverluste im Krankengeldbezug und vor allem bei den Erwerbsminderungsrenten sowie bei einer krankheitsbedingten Teilzeitbeschäftigung entstehen. Haushaltseinkommen verringerte sich auch, weil die erwerbstätigen Partner wegen Pflegetätigkeiten oder Erziehungsaufgaben die Arbeitszeit reduzieren. Gleichzeitig komme es häufig zu höheren Ausgaben durch Zuzahlungen, Fahrtkosten oder zusätzliche Haushaltsdienstleistungen oder externe Kinderbetreuungskosten.

Frau Lisa Biehl, Projektleiterin bei der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE e. V.) stellte die Lage von Familien mit Kindern, die an einer seltenen Erkrankung leiden, vor. Dabei zeigte sie spezifische Probleme auf, die mit seltenen Erkrankungen einhergehen. Dazu gehören u.a. psychische Belastungen, die häufig durch die sehr langen Zeiträume der Ungewissheit, bis eine Diagnose bei seltenen Erkrankungen gestellt werden kann, entstünden. Nach Diagnosestellung stünden zudem kaum Medikamente und Behandlungsoptionen zur Verfügung bzw. müssten häufig jeweils einzeln bei den Krankenkassen durchgesetzt werden. Aufgrund fehlender Expertise bei Ärzten und anderen Gesundheitsberufen würden die Eltern stark in die Rolle eines “Casemanagers” für ihr Kind gezwungen und fühlten sich trotzdem häufig von dem Gedanken belastet, mögliche Behandlungen für ihr Kind zu verpassen.  

Frau Carolin Teltow von der Evangelischen Konferenz für Familien- und Lebensberatung e.V. Fachverband für psychologische Beratung und Supervision (EKFuL) vertrat in dem Gespräch die Positionen der allgemeinen Familien und Lebensberatung. Sie wies darauf hin, das auch in der allgemeinen Familien- und Lebensberatung das Thema Gesundheit bzw.  Krankheit von Familienmitgliedern eine wichtige Rolle spiele. Vor diesem Hintergrund sah sie ein strukturelles Vernetzungsdefizit zwischen familien- und gesundheitszentrierten Beratungsangeboten. Vernetzung gehöre zwar zur Kernkompetenz beratender Professionen wie der Sozialen Arbeit, in der Praxis fehle es aber an der organisatorischen Anerkennung der Vernetzungsarbeit, was sich in mangelnden zeitlichen Ressourcen für diese Tätigkeiten widerspiegele.

Birgit Glindemann und Tino Baier von Kompaxx Gesundheit Berlin beschrieben die Scharnierfunktion zwischen gesundheits- und familienorientierter Beratung, die ihr psychosoziales Beratungsangebot “Die Insel” einnimmt. Aus der Perspektive der Betroffenen ist zu Beratungsbeginn oft nur schwer zu trennen, ob Familien und Erziehungsthemen oder gesundheitliche Probleme im Vordergrund der gesamten Belastungssituation stünden. Nicht immer seien Anlass und Grund der Beratungssuche der Betroffenen identisch. Ein spezifisches Angebot für Familien mit erkrankten Familienmitgliedern biete einen erleichterten Zugang zu einer umfassenden Beratung für diese Zielgruppe. Eine gute Vernetzung über die Sektorengrenzen von ambulanter und stationärer gesundheitlicher Versorgung hinweg sei für die Beratung aber unerlässlich.

In der Diskussion standen insbesondere die Defizite der existierenden Beratungslandschaft für Familien mit erkrankten Familienmitgliedern im Vordergrund. Es wurden Möglichkeiten erörtert, den Zugang für alle Familien ungeachtet sozialer oder kultureller Unterschiede zu erleichtern.

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