Offener Brief an die Bundestag-Abgeordneten zum Rechtsanspruch auf gute Ganztagsbetreuung im Grundschulalter

In einem offenen Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags haben die Familienorganisationen am 12. Juni auf die Bedeutung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter für die Familien verwiesen und betonen, dass die inhaltlichen Rahmenbedingungen so gestaltet sein müssen, dass eine hohe Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsqualität gewährleistet werden kann.

Der offene Brief im Wortlaut:

Offener Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags:
Rechtsanspruch auf gute Ganztagsbetreuung im Grundschulalter jetzt umsetzen


Anrede,


der „Ganztag“, in Form von Ganztagsschulen oder der Kombination aus Schule und Hort, ist für Grundschulkinder ein zentraler Bildungsort und für viele heute auch der wichtigste Ort, um Freunde und Gleichaltrige treffen zu können. Für Eltern bedeutet das Fehlen von Ganztagsangeboten eine große Hürde für den Wiedereinstieg in den Beruf oder eine Ausweitung ihrer Erwerbstätigkeit und kann zu Stress sowie emotionalen und materiellen Belastungen in Familien führen. Ganztagsangebote haben das Potenzial, sozial ungleiche Startchancen bei Beginn der Schulkarrieren der Kinder auszugleichen und das interkulturelle Zusammenleben zu stärken. Die Corona-Krise hat genau dies deutlich gemacht und zeigt, dass Familien auf eine qualitativ gute Ganztagsbetreuung für Kinder angewiesen sind. Die Ganztagsbetreuung fördert außerdem das interkulturelle Zusammenleben.


Aus Sicht der Familienorganisationen müssen die inhaltlichen Rahmenbedingungen so gestaltet sein, dass eine hohe Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungs-Qualität gewährleistet werden kann. Zudem muss der „Ganztag“ von Grundschulkindern einen Umfang bieten, der es allen Familien ermöglicht von den Angeboten zu profitieren. Das schließt eine umfängliche, bedarfsgerechte Ferien- und Randzeitenbetreuung mit ein.


Familien haben in der Diskussion um die Folgen der Corona-Pandemie den Eindruck gewonnen, dass fast alle Interessengruppen von der Politik mehr Aufmerksamkeit und in der Folge schnellere Unterstützung erhalten, als die Familien. Zu befürchten ist aus Sicht der Familien nun, dass das im Koalitionsvertrag 2018 sogar als vorrangiges Ziel festgelegte Vorhaben, in dieser Legislaturperiode einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter zu schaffen, „vergessen“ wird. Die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter ist für die Familien jedoch ein wichtiger Schritt, um mehr Bildungsgerechtigkeit für Kinder aus Familien mit unterschiedlichen Bildungsressourcen zu schaffen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Es wäre aus unserer Sicht außerdem ein Schritt, um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland zu verbessern.


Für eine angemessene Umsetzung des Rechtsanspruchs braucht es aus Sicht der Familienverbände eine ausreichende entsprechende Finanzierung. Der Vorschlag von Frau Ministerin Karliczek, die vorgesehenen Mittel des Bundes für die Anschubfinanzierung der Ganztagsbetreuung zu verdoppeln sowie die Beschlüsse der Bundesregierung zum Investitionsprogramm für den Ausbau von Ganztagsschulen und Ganztagesbetreuung, gehen daher in die richtige Richtung. Nötig ist jedoch eine zukunftsfeste dauerhafte Finanzierung des Ausbaus, für den eine Zusicherung des Bundes für einen Beitrag zu den laufenden Kosten der Ganztagsbetreuung unumgänglich ist.


Die AGF appelliert an Sie, ebenso wie an die weiteren Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen, sich schnell über die offenen Fragen der Anschubfinanzierung und der dauerhaften finanziellen Absicherung des Regelbetriebs zu einigen und einen Rechtsanspruch auf eine qualitativ hochwertige Ganztagsbetreuung im Grundschulalter jetzt einzuführen.


Mit freundlichen Grüßen


Daniela Jaspers
Vorsitzende


Sven Iversen
Geschäftsführer

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