30. Oktober 2023: Auswirkungen der europäischen Migrationspolitik auf die transnationale Familiendynamik

Am 30. Oktober 2023 veranstaltete die AGF in Kooperation mit dem Netzwerk zu transnationalen Familiendynamiken in Europa (TraFaDy) in Berlin einen Workshop zu den Auswirkungen der europäischen Migrationspolitik auf transnationale Familiendynamiken. Anlass für das Treffen war die aktuelle Debatte über die Einführung eines neuen Migrations- und Asylpaktes in der Europäischen Union.

Ein erheblicher Teil der transnationalen Familien hat einen Migrations- oder Fluchthintergrund. Dennoch wird die Debatte, insbesondere hinsichtlich des Asylsystems, derzeit hauptsächlich von der Perspektive geleitet, die Zahl der in die Europäische Union einreisenden Geflüchteten zu reduzieren und ihre Verteilung innerhalb der EU zu steuern. Die Perspektive des Familienlebens und des Wohlergehens der Kinder bleibt dabei unterrepräsentiert. Vor dem Hintergrund, dass die Mitglieder des TraFaDy-Netzwerks aus sehr unterschiedlichen Bereichen und Regionen kommen, ist es eines der Kernziele von TraFaDy, theoretische Forschungserkenntnisse mit politischen Entwicklungen zu verknüpfen und für diese weitere Argumente und Vorschläge zu formulieren. Insbesondere die Arbeitsgruppe 6 von TraFaDy konzentriert sich auf diese Arbeit.

Das Treffen am 30. Oktober analysierte die aktuellen Vorschläge zur Einführung des neuen Migrations- und Asylpaktes und diskutierte mögliche Auswirkungen auf Transnationale Familien. 12 Expert/innen trafen sich dafür in der AGF-Geschäftsstelle und zwei weitere waren online dazu geschaltet. Cis Vangoidsenhoven von der Nationalen Agentur für die Aufnahme von Asylbewerbern (Fedasil) in Belgien führte in die Thematik ein und stellte den neuen Migrations- und Asylpakt der EU vor. Er erläuterte den aktuellen Stand sowie den bisherigen Weg und die wichtigsten Punkte, über die bereits eine Einigung erzielt wurde, und jene, über die noch entschieden werden muss. Auf dieser Grundlage gaben Alyona Samar von Missing Children Europe und Stefan Keßler, Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland, die ersten Kommentare ab, in denen sie ihre Sicht der Entwicklungen und ihre Forderungen für den verbleibenden Prozess darlegten

Am Nachmittag wurde der Fokus auf die Herausforderungen und Bedürfnisse von Flüchtlingsfamilien als transnationale Familien gelegt. Die Teilnehmer betonten, wie wichtig es sei, die Perspektive der Familien einzunehmen, da die Migration von Familien oder ihrer einzelnen Mitglieder nicht nur eine individuelle Entscheidung sei. Vielmehr handelte es sich oft um eine familiäre Risikostrategie, die sich an den Bedürfnissen der Familie orientiert und die negativen Auswirkungen ihrer Entscheidungen berücksichtigt. Die Expert/innen brachten ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass die staatliche Politik hnsichtlich des Grenzübertritts das Familienleben prägt und häufig negativ beeinflusst. Die Teilnehmer tauschten die Ergebnisse ihrer Studien über Migranten- und Flüchtlingsfamilien und -kinder aus und wiesen darauf hin, dass vor allem die Kinder massiv betroffen sind, sowohl kurz- als auch langfristig. Dies gelte insbesondere, wenn Familien und Kinder in Ankunftszentren festgehalten und von anderen Familienmitgliedern getrennt würden. Es solle bei dem Thema jedoch nicht nur die unmittelbare Zeitspanne der Ankunft betrachtet werden, da der Fluchtprozess auch langfristige Auswirkungen auf die Familien hat. Unter anderem argumentierten die Teilnehmer, dass es auch für die Gesellschaft einen positiven Langzeiteffekt habe, wenn das Familienleben von Flüchtlingen unterstützt wird. Dies sei zum Beispiel durch die Ermöglichung einer angemessenen Familienzusammenführung möglich, da die Forschung gezeigt habe, dass ein sicheres Familienleben eine wichtige Voraussetzung für die Integration sei. Es wurde auch hervorgehoben, dass “Europa” und “die Europäische Union” nicht deckungsgleich seien und dass die europäischen Staaten, die derzeit nicht in der Europäischen Union sind, vor wachsenden Herausforderungen stehen könnten, wenn ihre Perspektive als wichtige Länder für die Ankunft von Flüchtlingen vernachlässigt wird. Die Teilnehmer stellten u.a. fest, dass insbesondere im Hinblick auf die zurückgelassenen Familienangehörigen noch viel Forschungsarbeit zu leisten sei.

Über das Treffen wird derzeit ein Bericht erstellt und in Kürze hier und auf der TraFaDy-Website veröffentlicht. Wenn Sie ihn direkt erhalten möchten, schreiben Sie bitte eine kurze Nachricht an Sven Iversen (iversen@tag-familie.de).

Weitere Informationen

Website des Netzwerks Transnational Family Dynamics in Europe