Kommentar der AGF zur 3. JAKO-O Bildungsstudie

Die JAKO-O Bildungsstudie nimmt sich bereits zum dritten Mal nach 2010 und 2012 der wichtigen Aufgabe an, belastbare Aussagen über die Sichtweise der Eltern hinsichtlich der Situation der Schule zu finden. Verläufe und Entwicklungen zeigen sich in der aktuellen Befragung nun noch besser. Dabei lässt sich leider auch erkennen, dass viele negative Feststellungen der Eltern sich seit der ersten Bildungsstudie kaum verbessert haben.

Bedenklich stimmt nach wie vor, dass viele der Eltern Grund haben, skeptisch zu sein, ob in Deutschland überhaupt die Grundvoraussetzung für gute Bildung gegeben ist: Nur 55 Prozent halten Deutschland für ein kinderfreundliches Land. Im Vergleich zu den vorherigen Erhebungen hat sich damit die Einschätzung leicht verbessert, bewegt sich aber immer noch auf zu niedrigem Niveau. Unabhängig von der Bildungspolitik ist dies ein sehr besorgniserregender Umstand, an dessen Verbesserung dringend gearbeitet werden muss.

Die Familienorganisationen betonen und sehen sich in ihrer Einschätzung bestätigt, dass Eltern sich für ihre Kinder in der Schule einsetzen und ihrer Verantwortung als primär Verantwortliche für die Bildung der Kinder gerecht werden. Eltern nehmen diese Verantwortung sehr ernst. Sie haben ein sehr gutes Gespür für das Bildungssystem und für das, was ihre Kinder brauchen. Insofern ist es erfreulich, dass die Studie auch zeigt, dass sich Eltern grundsätzlich stark engagieren. Dies gilt auch – entgegen der Klischees – für Eltern mit einem eher niedrigen Bildungsabschluss, Eltern mit Migrationshintergrund, Väter, vollzeitbeschäftigte Eltern sowie Eltern, deren Kind eine gebundene Ganztagsschule besucht. Daher muss viel Wert auf ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Bildungseinrichtung und Eltern gelegt werden. Denn Eltern wollen sich einbringen und suchen dafür Möglichkeiten. Sie wollen auch nicht „alles besser wissen“ als die Lehrer/innen: Nach wie vor geben die Eltern an, dass sie großes Vertrauen in die Lehrer/innen als Personen haben und schreiben Defizite den Institutionen und Strukturen, nicht aber den Personen zu. Dies ist eine gute Grundlage für eine verbesserte Zusammenarbeit von Eltern und Schule. Gleichwohl finden Eltern, das viel zu häufig Aufgaben, die dem Schulsystem obliegen sollten, an sie ausgelagert werden, wie. z.B. Hausaufgabenhilfe oder finanzielle Ausgaben für Nachhilfe.

Die Familienorganisationen unterstützen die Eltern in ihrer Einschätzung zu den Zielen von Bildungspolitik: sozialer Ausgleich statt Elitedenken. Gemeinsam mit den Eltern fordern die Familienorganisationen ein Bildungssystem, das generell auf Chancengleichheit, Sicherung der Grundbildung und individuelle Förderung ausgerichtet ist. Voraussetzung dafür ist, das der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungszugang aufgehoben wird.

Bildung kommt in vielen Bereichen eine Schlüsselrolle zu, sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene. So z. B. in der Armutsprävention: Gute Bildung erhöht die Startchancen der von Armut betroffenen Kinder, erleichtert ihnen den späteren Zugang zum Arbeitsmarkt und trägt so dazu bei, die „Vererbung der Armut“ zu durchbrechen. Insofern darf Schule nicht als primäres Ziel die Herausbildung von Nachwuchs für den Arbeitsmarkt haben: Schule soll eine umfassende Allgemeinbildung vermitteln und in Kooperation mit den Eltern autonome, entscheidungsfähige Individuen und Bürger/innen hervorbringen.
Sowohl schulische wie vorschulische Einrichtungen können einen wichtigen Beitrag leisten, soziale Unterschiede zu beseitigen. Sie stärken die Sozial- und Wissenskompetenzen sowie die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder. Genau dies wünschen sich Eltern, sie möchten dabei jedoch nicht, dass Kinder zu früh großem Leistungsdruck ausgesetzt werden. Die Familienorganisationen begrüßen dieses Anliegen der Eltern und betonen, dass der Begriff der „frühkindlichen Bildung“ nicht falsch verstanden werden darf: Wenn Eltern mit 86 Prozent die Einschulung von unter sechs-jährigen Kindern ablehnen und 80 Prozent die Beibehaltung spielerischer Handlungsformen für Kinder bis sechs Jahre unterstützen, verteidigen sie damit zu Recht die notwendigen Spielräume ihrer Kinder – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Dies konterkariert nicht die Bedeutung von vorschulischen Einrichtungen. Deren Wichtigkeit ist generell hoch akzeptiert, gerade für Kinder ab dem 3. Lebensjahr. Die Bewertungen der Eltern stellen jedoch wichtige Anforderungen an die Inhalte und Qualität der Einrichtungen sowie an die Optimierung des Übergangs und Anpassung von vorschulischen und schulischen Einrichtungen.

Zum Nachdenken regt an, dass eine große Zahl der Eltern (46 Prozent) skeptisch gegenüber der gemeinsamen Beschulung von Kindern mit und ohne geistige Beeinträchtigung unter den derzeitigen Rahmenbedingungen ist. Die Entscheidung für die Eltern zwischen einer inklusiven Schule und einer Förderschule kann nur mit den richtigen Voraussetzungen zu einer wirklichen Alternative werden. Grundlage dafür ist ein entsprechendes Angebot mit hoher Qualität. Für viele Schulen und ihre Lehrkräfte ist dies noch ein relativ neues Gebiet und unbestritten erfordert eine angemessene Umsetzung von Inklusion weitere Fähigkeiten und Qualifikationen des Personals sowie eine adäquate Ausstattung der Schule. Die Diskussion über die möglichen Vorzüge der gemeinsamen Beschulung hat in Deutschland jedoch gerade erst begonnen.