Deutschlands Ziele zur europäischen Armutsbekämpfung sind zu niedrig

Die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen kritisiert die im Nationalen Reformprogramm genannten Ziele der Armutsbekämpfung als viel zu niedrig und fordert von der Bundesregierung, mehr Einsatz für die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung.

Im Nationalen Reformprogramm (NRP 2011), das Anfang April vom Bundeskabinett beschlossen wurde, wird der nationale Beitrag zur neuen EU-Strategie „Europa 2020“ benannt. Im „NRP 2011“ legt die Bundesregierung unter anderem fest, wie sie die fünf europäischen Leitziele zur Armutsbekämpfung umsetzen will. Darin werden die positiven Signale der Europäischen Union, die sie mit der erstmaligen Aufnahme eines konkreten Ziels in der Armutsbekämpfung gesetzt hat, von der Bundesregierung leider weitestgehend ignoriert.


„Es ist enttäuschend, mit welchen Plänen die Bundesregierung Armut und sozialer Ausgrenzung gegenübertritt. Die Berechnungen zur Armut sind haarsträubend und die gesetzten Ziele viel zu niedrig“, erklärt die Vorsitzende der AGF, Bettina Müller-Sidibé.


Die Bundesregierung bezieht sich bei ihren Zielen auf den europäischen Indikator „In Haushalten lebende Personen mit sehr niedriger Arbeitsintensität“ und reduziert ihn auf Langzeitarbeitslosigkeit. Ihr Ziel ist es, die Zahl der Langzeitarbeitslosen im Vergleich zu 2008 um 330.000 Personen (20 Prozent) zu senken. Dies wird dann auf „Personen in Haushalte“ hochgerechnet, wobei pro Haushalt mit zwei Personen kalkuliert wird. Daraus ergibt sich für die Bundesregierung, dass die Zahl der von Armut und sozialer Ausgrenzung Betroffenen bis 2020 um 660.000 Personen gesunken ist. Demnach würde es also reichen, wenn eine Person nur wenig mehr als eine Stunde pro Woche arbeitet, um zwei Personen aus der Armut zu holen.


Um einen prozentual angemessenen Beitrag zur Erreichung des europäischen Ziels zu leisten, müsste in Deutschland die Zahl der armen Personen um ca. 2,6 Millionen Menschen sinken. Zudem werden wichtige Aspekte der Armut ignoriert, die insbesondere Familien betreffen. Wie europäische Daten belegen, entsteht Kinderarmut nicht nur in Haushalten ohne Erwerbsarbeit, sondern auch durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse der Eltern, bei alleinerziehenden Müttern und Vätern, in Einwandererfamilien und in Familien mit mehr als zwei Kindern. Diese Familien werden von der Bundesregierung überhaupt nicht in den Blick genommen.


 „Das Konstrukt, das sich die Bundesregierung gebildet hat, kann als kreativ bezeichnet werden. Besser wäre aber, es wäre konstruktiv“, kritisiert die AGF-Vorsitzende Müller-Sidibé. „Wir fordern daher von der deutschen Regierung einen gewissenhaften Maßnahmenkatalog, der alle relevanten Politikbereiche umfasst und einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung des europäischen Gesamtziels leistet.“  


Hintergrundinformationen sind der ausführlichen Stellungnahme der AGF zu entnehmen.

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