27.06.2016: Europäisches Fachgespräch: Methoden zur Sicherung des Kinderexistenzminimums

Teilnehmer/innen beim AGF-Fachgespräch

Dokumentation: Methoden zur Sicherung des Kinderexistenzminimums

Am Montag, den 27. Juni, hat in Berlin das Europäische Fachgespräch stattgefunden, das sich mit Methoden zur Sicherung des Kinderexistenzminumums auseinandersetzte. Neben einer grundlegenden Einführung in die deutsche Problematik bildeten Inputs aus Belgien, Österreich, Großbritannien sowie Frankreich die Grundlagen für die Diskussionen.

Nicht nur in Deutschland stellt sich die Frage, ob und wie gewährleistet werden kann, dass allen Kindern ein ausreichendes monetäres Existenzminimum zur Verfügung steht. In Deutschland ist das entsprechende System nicht erst seit der Evaluation der ehe- und familienpolitischen Leistungen in der Kritik

Maria Wersig von der Fachhochschule Dortmund führte als Auftakt in das Fachgespräch in die grundsätzliche Problematik ein und erläuterte anschaulich die systematische Problemlage in Deutschland. Diese ergebe sich in dieser Form insbesondere durch das Nebeneinander von Kindergeld und Kinderfreibeträgen sowie durch diverse Leistungshöhen in den relevanten Rechtsbereichen und die teils widersprüchlichen An- und Verrechnungen unterschiedlicher Sozialleistungen.

Im Folgenden wurden aus verschiedenen EU-Staaten die zentralen Maßnahmen zur finanziellen Unterstützung von Kindern vorgestellt:

Sonja Dörfler vom Österreichischen Institut für Familienforschung (ÖIF) in Wien präsentierte das österreichische Modell. Sie erläuterte, dass die Kompetenzen für die Gewährleistung von familienpolitischen Leistungen im Allgemeinen sowohl auf Länder- als auch auf Bundesebene liegen. Die staatliche Unterstützung der Eltern bei den Unterhaltspflichten finde in Form direkter monetärer Transfers durch die “Familienbeihilfe” (Kindergeld), dem “Mehrkindzuschlag”, dem “Kinderabsetzbetrag” sowie als steuerliche Leistung durch den Kinderfreibetrag statt. Anders als in Deutschland bestehe jedoch nur die Verpflichtung, das hälftige Existenzminimum eines Kindes abzudecken.


Toon Vanheukelom von der Universität Leuven erläuterte den Ansatz in Belgien und ging dabei insbesondere auf das Kindergeld-System in Flandern ein, da seit 2015 die Landesebene zuständig ist. In Flandern wurde aktuell eine Reform beschlossen, mit der das Kindergeldsystem grundlegend erneuert wird. Zukünftig würden z.B. Alter und Anzahl der Kinder eine geringere Rolle spielen als bisher, das gestaffelte Kindergeld soll durch einen höheren, einheitlichen Pauschalbetrag abgelöst werden.


Steve McKay von der Universität Lincoln präsentierte die Situation in Großbritannien und machte deutlich, dass das gesamte soziale System eher schwach ausgebildet ist und die Gesamtzahl der Kinder in Armut auf einem vergleichsweise hohen Niveau liegt. Überwiegend bestehe das Armutsproblem der Familien, obwohl sie erwerbstätig seien (“working poor”). Insgesamt wäre die Bekämpfung von Kinderarmut und die Bereitstellung direkter monetärer Leistungen zwar bis 2010 ein wichtiger Punkt auf der Regierungsagenda gewesen, seitdem würde jedoch fast ausschließlich darauf abgezielt, die Eltern in Arbeit zu bringen.

Myriam Bobbio von der Union Nationale des Associations Familiales (UNAF) aus Frankreich präsentierte die Ergebnisse der “Standard-Budgets”, mit denen ihr Verband genau ermittelt, was Kinder und ihre Familien benötigen, um ein Leben in Würde und entsprechend der geltenden gesellschaftlichen Teilhabestandards führen zu können. Die “Standard-Budgets” für unterschiedliche Familientypen errechne UNAF seit den 50er Jahren, die letzte Aktualisierung fand 2012 statt.

Direkt im Anschluss an die jeweiligen Länderberichte wurden die Modelle diskutiert und offene Fragen geklärt. Zum Abschluss versuchten die Teilnehmer/innen, Schlussfolgerungen aus dem Gesamtbild zu ziehen.

Die einzelnen Präsentationen werden in Kürze auf unserer Website abrufbar sein. Zusätzlich erstellt die AGF eine Dokumentation zum Fachgespräch, in der die Länderberichte sowie die wichtigsten Diskussionstränge und Ergebnisse zusammengefasst werden. Sie wird vermutlich im Herbst online und als print abrufbar sein. Bei Interesse an einer Benachrichtigung über die Fertigstellung können Sie gern eine Email an info [@] ag-familie.de schicken. Alle Teilnehmer/innen erhalten die Dokumentation automatisch.

Maria Wersig
Sonja Dörfler
Vanheukelom
McKay
Myriam Bobbio
Iversen
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