In einer gemeinsamen Pressemitteilung fordern die Familienverbände der AGF und das Deutsche Kinderhilfswerk anlässlich der heutigen Bundestagsdebatte über den 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung einen umfassenden, ressortübergreifenden Aktionsplan zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland. In einem gemeinsamen Brief an die Partei- und Fraktionsvorsitzenden von CDU, CSU, SPD, Linken und Grünen sowie an Bundessozialministerin Andreas Nahles und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig appellieren die Verbände eindringlich, die Bekämpfung der Kinderarmut zu einer politischen Aufgabe ersten Ranges zu machen, die auch nach der Bundestagswahl Bestand hat.
Ziel muss es sein, einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Kinderarmut zu erstellen, der mit ausreichend finanziellen Mitteln ausgestattet ist und mehrdimensional an den verschiedenen Lebenslagen von Kindern ansetzt. Dieser Aktionsplan sollte daher alle relevanten Politikbereiche umfassen: Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik, Familien- und Bildungspolitik, Gesundheits- und Sozialpolitik sowie Stadtentwicklungs- und Wohnungs(bau)politik.
Wörtlich heißt es in dem Brief: „Wir fordern Ihre Partei auf, sich umgehend für erste Schritte zur Bekämpfung von Kinderarmut einzusetzen. Dazu gehört die Neuberechnung der Regelbedarfe. Die geltenden Regelbedarfe haben in der Ermittlung methodische Schwächen und halten den sozialrechtlichen Mindestbedarf von Kindern künstlich klein. Sie entsprechen insgesamt nicht dem notwendigen soziokulturellen Existenzminimum und sollten auf ein Niveau angehoben werden, das echte gesellschaftliche Teilhabe möglich macht. Zügig umzusetzen ist darüber hinaus die Vereinfachung und Entbürokratisierung von Leistungen für Kinder. Bislang sind viele der sozial- oder familienpolitischen Leistungen bei unterschiedlichen Behörden oder Ämtern zu beantragen. Wichtig ist, dass dort jede Tür zu allen Hilfen führt, die Kindern und Familien zur Verfügung stehen. Zudem sollten aus unserer Sicht die Hauptrisikogruppen für Kinderarmut, also Kinder von Alleinerziehenden, Kinder in Mehrkindfamilien und Kinder mit Migrationshintergrund besonders in den Blick genommen werden. Auch die Verhandlungen zur Erhöhung der Betreuungsqualität zwischen Bund und Ländern, wie zuletzt bei der Jugend- und Familienministerkonferenz in Quedlinburg, müssen fortgesetzt werden. Bundesweite verbindliche Mindeststandards für die Qualität frühkindlicher Bildungseinrichtungen sind ein Schlüssel für bessere Zukunftschancen, denn insbesondere benachteiligte Kinder profitieren von einer personellen Ausstattung mit gut qualifiziertem Personal und individueller Förderung.“
„Diese Maßnahmen müssen ausreichend finanziert werden, dabei sind alle Verantwortungsebenen, also Bund, Kommunen und Länder einzubeziehen. Eine ernsthafte politische Auseinandersetzung mit dem Thema Kinderarmut erkennt nicht nur die Würde und die Rechte der Kinder und Jugendlichen im Hier und Jetzt an, sondern ist auch eine Investition in die Zukunft der Gesellschaft. Für junge Menschen müssen neben der materiellen Absicherung für eine erfolgreiche Armutsprävention infrastrukturelle Rahmenbedingungen geschaffen werden, die ihnen gleiche Teilhabe- und Bildungschancen ermöglichen, wie anderen Gleichaltrigen“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.
„Da arme Kinder in der Regel in armen Familien leben, müssen politische Maßnahmen zur Beseitigung der Armut sowohl bei den Familien als auch bei den Kindern und Jugendlichen direkt ansetzen. Armut ist nicht nur materielle Unterversorgung, sondern wirkt sich gerade bei Kindern und Jugendlichen negativ auf ihre Zukunftschancen aus: sie verhindert soziale Teilhabe, verbaut Bildungszugänge und beeinträchtigt die psychische und physische Gesundheit. Je länger ein junger Mensch unter Bedingungen von Ausschlusserfahrungen und Armut aufwächst, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit von sozialen und wirtschaftlichen Risiken auf Lebenszeit“, sagt Stefan Becker, Vorsitzender der AGF.
Das Deutsche Kinderhilfswerk und die in der AGF zusammengeschlossenen Familienverbände fordern die Parteien auf, im bevorstehenden Wahlkampf sowie in der kommenden Legislaturperiode die Armutsproblematik von Kindern und Familien besonders in den Blick zu nehmen und spezifische Maßnahmen zu verankern, die erstens kurzfristig Abhilfe schaffen und zweitens das System langfristig strukturell umgestalten. Ein erster Schritt wäre hierbei die Bekämpfung von Kinderarmut als prioritäres Ziel im nächsten Koalitionsvertrag festzuschreiben. Jedem Kind ein Aufwachsen ohne Armut zu ermöglichen sehen die Verbände als staatliche Pflicht.