„Wie verändert sich die Rush Hour des Lebens für Eltern und wie gehen wir mit den Herausforderungen um?”
Bei unserem AGF-Fachgespräch am 10. Juli 2025 stellte Prof. Dr. Martin Bujard, Vorsitzender der AGF und Forschungsdirektor am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB), aktuelle Forschungsergebnisse zur sogenannten „Rush Hour des Lebens“ vor. Gemeint ist die besonders verdichtete Lebensphase, in der viele Eltern gleichzeitig kleine Kinder betreuen, beruflich intensiv engagiert sind, ihre Partnerschaft pflegen und zugleich sich ggf. noch um ältere Angehöirge kümmern. An dem Fachgespräch nahmen Vetreter:innen aus Familien- und Wohlfahrtsverbänden, Wissenschaft, Bundestag und Bundesfamilienministerium teil.
Die Folien des Vortrags von Prof. Dr. Martin Bujard können Sie hier herunterladen: Präsentation Bujard
Ausgangspunkt des Vortrags waren neue Auswertungen der FReDA-Studie („Familienleben in Deutschland“). Sie zeigen deutlich: Viele Mütter, insbesondere mit schulpflichtigen Kindern, würden gerne mehr erwerbstätig sein, stoßen dabei aber häufig auf strukturelle Hürden wie unzureichende Betreuungsangebote oder rigide Arbeitszeitmodelle. Väter mit kleinen Kindern hingegen äußern vielfach den Wunsch, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Diese Wünsche werden nicht nur durch betriebliche Rahmenbedingungen und finanzielle Zwänge, sondern auch durch tradierte Rollenbildern in der Umsetzung behindert. Diese Diskrepanz führt zu einem deutlichen Zeit-Ungleichgewicht bei Care- und Erwerbsarbeit zwischen den Geschlechtern und kann zu Unzufriedenheit, partnerschaftlichen Spannungen und erhöhten Trennungsraten beitragen.
Prof. Bujard plädierte daher für eine Politik, die auf mehr Zeitgerechtigkeit zielt – durch eine Umverteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit sowohl zwischen den Lebensphasen als auch zwischen den Geschlechtern. Als konkrete politische Antwort stellte er das Modell der Dynamischen Familienarbeitszeit der eaf vor. Es sieht finanzielle Anreize für Eltern mit kleinen Kindern vor, wenn beide Partner vollzeitnah in Teilzeit arbeiten (zum Beispiel jeweils 25 bis 35 Stunden pro Woche). So sollen familienfreundliche Erwerbsmodelle gefördert, Zeitkonflikte gemindert und die gleichberechtigte Übernahme von Familienaufgaben gestärkt werden. Langfristig trägt das Modell auch zur besseren Integration von Müttern in den Arbeitsmarkt bei und kann zur Fachkräftesicherung beitragen
Im Zentrum der anschließenden Diskussion stand die die Frage nach der Umsetzung der Erkenntnis, dass Zeit, Geld und Infrastruktur als sich ergänzende Dimensionen der Familienunterstützung gedacht werden müssen. Während finanzielle Entlastungen für Familien mit niedrigem Einkommen weiterhin unerlässlich sind, bleiben verlässliche Betreuungsangebote – in Kita, Schule und Ganztag – für alle Familien ein zentrales Anliegen. Zugleich ist der Wunsch nach mehr Zeitwohlstand bei Eltern besonders ausgeprägt – vor allem, um der doppelten Belastung von Erwerbs- und Sorgearbeit in der Rush Hour des Lebens gerecht werden zu können.
Das Fachgespräch machte deutlich: Eine moderne Familienpolitik braucht auch eine moderne Zeitpolitik – eine, die sich an den Lebensrealitäten und Zeitwünschen von Familien orientiert, strukturelle Hindernisse abbaut und spürbare zeitliche Entlastungen in der Rush Hour des Lebens bringt.

Programm des Fachgesprächs
Datum: 10. Juli 2025, 13:00h – 16:00 Uhr
Ablauf:
12:30 Uhr: Ankommen und Imbiss
13:00 Uhr: Begrüßung
13:10 Uhr: Welche Veränderungen in der Rush Hour des Lebens und von Zeitwünschen von Familien zeigen die neuen FReDA-Daten
- Prof. Dr. Martin Bujard, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB)
13:45 Uhr: Pläne und Herausforderungen der Implementierung von familienorientierten zeitpolitischen Maßnahmen
- Almut Enderlein, BMBFSFJ (Abteilungsleiterin für Familie und Digitales)
14:10 Uhr: Kommentierungen und Diskussion aus den AGF-Verbänden und weiteren Akteuren vor dem Hintergrund der Pläne der Bundesregierung mit folgenden Schwerpunkten:
- Bewertung der empirischen Ergebnisse zu Zeitbedarfen und Zeitwünschen von Familien
- Sind die geplanten zeitpolitischen Projekte der Bundesregierung anschlussfähig für lebensspannenübergreifende Perspektiven in der Familienpolitik?
- Reformen von Elternzeit und Familienpflegezeit als erste Schritt?
- Welche zeitpolitischen Forderungen gibt es an die Bundesregierung?
Für weitere Informationen zur Veranstaltung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Wir freuen uns auf einen regen Austausch!